Vor noch zweieinhalb Jahren waren Vampire in der Öffentlichkeit undenkbar. Ihr eigentliches Zuhause waren Serien, Bücher und Filme - nun traten sie aus den tiefsten Schatten heraus und offenbarten ein für alle mal ihre Existenz. Auf einen Schlag waren Vampire wieder in Mode, dieses Mal jedoch verkauften sich die Artikel rund um die Blutsauger besser denn je. Falsche Fangzähne, humoristische Sprüche auf T-Shirts, selbst Filme und Serien waren wieder in den Startlöchern des Filmgeschäftes. Das mediale Echo der in der Öffentlichkeit lebenden Vampire traf aber auch auf gemischte Gefühle. So übten sie einerseits eine gewisse Faszination auf jene aus, die sich lange mit dem Mythos (Vampire) beschäftigt hatten, während die Anderen ihrem Coming-out eher skeptisch gegenüberstanden. Nachrichtensender berichteten damals fast täglich vom Coming-out. Es ist auch heute noch ein aktuelles Thema, selbst nach zweieinhalb Jahren, obwohl der Boom selbstverständlich inzwischen langsam abgeflaut hat. Noch zu Beginn wurden Vampire in nächtliche Talkshows eingeladen, namhafte Talk Hosts schnitten ihre Sendungen an festgelegten Tagen spezifisch auf Vampire zu. Die neuesten Statistiken haben unter anderem zusätzlich gezeigt, dass Nashville zu den beliebtesten Städten unter den Vampiren zählt. Daher verwunderte es auch kaum, dass sie sich dort als erstes vor den Kameras präsentierten, als sie an die Öffentlichkeit traten.
Die Vampire gliederten sich mit der Zeit eigenständig ein, nun waren sie in den verschiedensten Berufsfeldern aufzufinden. Von berühmten Persönlichkeiten bis zum Nachbarn von nebenan, der seinen Lohn als Nachtwächter verdiente. Das Herantreten an die Öffentlichkeit hat nichtsdestotrotz Spuren hinterlassen. Spuren, ...die zu mehr Fragen in der Gesellschaft führten. Wie können die Vampire wirklich unter uns leben? Warum geben sie sich erst jetzt zu erkennen? Sollten spezielle Gesetze für die Vampire gelten? Politische Parteien, die es sich auf die Flagge geschrieben haben, gesonderte Rechte und Gesetze für die Vampire zu erwirken, wurden ins Leben gerufen.
Gut gesinnte Parteien sprachen ihre Pros aus, warum die Vampire eine Daseinsberechtigung besaßen und wieso ‘normale’ Gesetze (= sie waren vorher Menschen) ausreichend genug für sie wären. Oppositionen hingegen stellten die Koexistenz mit den Vampire in Frage, forderten verschärfte Maßnahmen und eine deutliche Überwachung zur Sicherheit aller Menschen - selbst der Papst und der Vatikan versuchten, sich in diese politische Debatte einzumischen. Die Kirche ist klar dagegen, die Vampire konkret in die Gesellschaft der Menschen einzubinden. Über eine Parallelgesellschaft wird noch immer heiß diskutiert. Auch auf den Seiten der Vampire gibt es negative Stimmen bezüglich ihrer Bekanntmachung. Nicht alle Vampire sind von dem Konzept überzeugt und zeigen ein sehr zurückhaltendes Verhalten. Gerade Vampire aus älteren Generationen scheuen meist das Blitzlicht und die Aufmerksamkeit.
Seit kurzem ist außerdem die Rede von einem politisch engagierten Vampir dort draußen, der sich für eine engere und langfristige Zusammenarbeit zwischen Menschen und Vampiren einsetzt. Seine Ambition ist es, als erster vampirischer Anwärter für das US-Präsidentschaftsamt zu kandidieren. Er möchte ins Weiße Haus einziehen und ein gemischtes Kabinett ins Leben rufen, sollte er gewinnen, um so ein faires Miteinander zu schaffen. Beziehungen zwischen Mensch und Vampir werden bisweilen kritisch angesehen. Die Sorge, dass der Mensch zu einem Vampir gemacht werden soll, ist groß. Viele politisch feindlich eingestellte Anhänger glauben, dass es am Ende mehr Vampire als Menschen geben könnte und dadurch ein Ungleichgewicht entstehen wird.
Postmarathon vom 01.11.2024 bis 31.12.2024
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